Die 90 grad Regel


















1.) Einleitung

"Alles was rauf geht, muss irgendwann wieder runter kommen" - wie wahr. "Über" ein Hindernis gehen bedeutet eigentlich: rauf - runter -> und dabei die Distanz die benötigt wird zurücklegen. Somit ist das Thema Fallen / richtig Landen für Le Parkour sehr wichtig! In diesem Artikel werde ich das Thema etwas von der Wissenschaftlichen Seite erklären, um aufzuzeigen, wie es gemacht werden kann/sollte um sich selbst bestmöglich zu schützen, und aber auch die größtmöglichen Leistungen erbringen zu können!


 
















2.) Auftretende Kräfte

Vor einem Fall hat man Gravitationsenergie. Die sog. Erdanziehungskraft! Jedoch wird dieser insofern nicht nachgegeben, da man auf dem Boden, auf dem man geht, der von Ihr erzwungenen Bewegung nicht nachkommen kann. Man bewegt sich nicht nach unten zum Erdmittelpunkt, wo sie einen hinziehen möchte. Bei einem Fall sieht das anders aus - man fliegt nicht durch die Luft (schön wärs..) sondern man Bewegt sich auf den Erdmittelpunkt zu - also nach Unten. Während dieser ‚Vertikalen' Bewegung ist es auch möglich in der Horizontalen sich etwas zu bewegen. Aber die Vertikale Bewegung wird erst wieder Aufgehalten wenn man zB. Auf einem Boden landet. Die Horizontale Bewegung ist auch hier möglich, und die Vertikale, der Fall selbst ist somit eine kinetische Energie, wir nennen es nach unten gerichtete Bewegungsenergie ( ' Fallenergie).
























3.) Gerader und Bewegter Fall

Fällt man gerade, spricht man von reiner Fallenergie. Diese muss durch das genaue Gegenteil ausgeglichen werden. Also die nach unten gerichtete Bewegungsenergie kann nur durch nach oben gerichtete Bewegungsenergie ausgeglichen Werden. Wie erzeugen wir diese ? ' indem Wir unsere Beine vom Landepunkt versuchen wegzudrücken. Somit ist die Fähigkeit, tiefe Fälle abzufangen, definitiv mit Muskelkraft verbunden.

Fällt man mit einer Bewegung in der Horizontalen, ändert sich hier etwas. Dazu siehe bitte "Landen mit Rolle"

 
















4.) Landen ohne Rolle

Wie schon erwähnt, muss die Fallenergie durch Druck in die Entgegengesetzte Richtung gestoppt werden. Dies Belastet die Muskeln, und die Gelenke. Als Beispiel nehmen wir eine 55kg schwere Person, die von 4 Metern in die Tiefe springt.

Belastung = Druck / Fläche

Die kinetische Energie die bei diesem Fall erzeugt würde ( Fallenergie = Masse * Gravitation * Höhe ) beträgt 2.200j. Gehen wir davon aus dass die Beiden Kniegelenke (Hauptgelenke die hierbei beansprucht werden) zusammen eine Fläche von 50cm² haben, würde bei der Dämpfung dieses Falles auf die Kniegelenke 44j/cm² Belastung fallen.























Wenn wir nun aber diese Belastung verteilen, indem der Oberkörper nach Vorne gebeugt wird (ca 30-40°) beim Fall (während Landebewegung bis zu 90°), und das Gewicht der unteren Körperhälfte mit den Beinen ( Hauptgelenk Knie) und das Gewicht der oberen Körperhälfte mit den Armen (Hauptgelenke Ellbogen und Schultern) abgefangen wird, wird die Energie für die einzelnen Gelenke logischerweise weniger. Wenn also Knie, Ellbogen, und Schultern zusammen eine Gelenkfläche von 150cm² haben, wird die entfallende Energie auf 14,666(periodisch) j / cm² reduziert. Somit ein VIERTEL !!!! Dies erlaubt uns zwar nicht, das vierfache an Tiefe zu springen, aber reduziert offensichtlich stark die Belastung der Gelenke.


 
















5.) Landen mit Rolle

So fällt man aber nicht immer vertikal gerade nach unten, man fällt oft mit Vorwärtsbewegung. Hier zu landen belastet die Gelenke X-Fach... Oder auch tiefe Sprünge die ‚fast' Vertikal nach unten gehen kann man noch besser Dämpfen als es nur auf Arme und Beine zu verteilen. Mit einer Rolle. Wie funktioniert das ? Folgendermaßen....

Wir fallen. Dies bedeutet unumgehlich eine Vertikale kinetische Energie, Fallenergie. Zusätzlich haben wir hier im besten Fall auch noch die größtmögliche Horizontale Bewegung. Wir fallen nach unten und vorne. Wenn wir Landen, soll der Oberkörper ca. 30-40° nach vorne gebeugt sein, die Arme leicht gebeugt in Richtung Boden gestreckt, und wir berühren den Boden als erstes mit unseren Füßen, genauer gesagt mit den Ballen. Die Ferse sollte nicht auf den Boden aufschlagen, das kann SEHR negative Auswirkungen auf die Gesundheit unserer Beine haben !!

Die Beine übernehmen hier bis zu einem gewissen Grad die Dämpfung, bieten also ein bisschen nach oben gerichtete Bewegungsenergie. Allerdings, was hier viel wichtiger ist, Die Beine dienen als Transformatoren. Die Fallenergie, die evtl. auch schon ein bisschen horizontale kinetische Energie mit sich führt, muss so gut wie möglich in so viel wie möglich horizontal kinetische Energie gewandelt werden. In Kurzform: die Beine drücken den Körper nach vorne.

Somit sind wir nun bereit, den übrigen Teil der Fallenergie mit der Rolle, die über die Schulter erfolgen soll (eingeleitet von den Händen und Armen, welche hier auch ein bisschen Dämpfen sollen). Würden wir die Rollbewegung mit nur Vertikal nach unten gerichteter kinetischer Energie - also Fallenergie durchführen, wäre unser Rücken kaputt. Aber die vorwärts gerichtete kinetische Energie - die wir durch unsere Beine bestmöglich verstärken - ermöglicht es uns, das Abfangen mit der Rolle zu erledigen, und somit einen großen Prozentsatz der Belastung der Knie und Ellbogen gelenke durch die Runde Bewegung ganz in nach vorne gerichtete kinetische Energie zu wandeln. Somit haben wir auch genug Schwung um aus der Rolle wieder auf die Beine zu kommen, und so schnell wie wir gekommen sind weiterzulaufen.


 
















6.) Die "90 Grad Regel"

Wie kann die Belastung der Kniegelenke minimiert werden ? Wie schon in Punkt 3 erwähnt, hat das Abfangen von Fällen mit Muskelkraft zu tun. Entsprechendes Krafttraining der Waden, Oberschenkel, und Po-Muskulatur ist daher unumgänglich. Jedoch gibt es einen weiteren Punkt, der wichtig zu beachten ist. Ich traue mich mit Stolz zu sagen, Anfang 2004 (kurze Zeit bevor ich die erste Fassung dieses Artikels schrieb) als erster in der Parkour-Welt die damals von mir betitelte "90 Grad Theorie" aufgestellt zu haben, welche sich heute als "the 90 degree rule" international als Fakt und Weisheit in die Parkour Welt eingegliedert hat. Durch Fitness-/Krafttraining wurde ich darauf aufmerksam, dass bei Kniebeugen darauf zu achten war, nicht mehr als 90 Grad in die Knie zu gehen. Mein damaliger Gedankengang war: "Wenn schon Kniebeugen, die über den 90 Grad winkel hinausgehen, die Knie beschädigen, wie sieht das dann bei Landungen von Sprüngen in Parkour erst aus ?". Ich habe mich bei einigen Sportmedizinern weiter Informiert und kam zu dem Schluss dass es Vital für die Gelenke ist, bei Landungen (sei dies mit- oder ohne Rolle) die knie nicht mehr als 90° zu beugen.























7.) Schlusswort

Summa Summarum können wir sagen, dass die Rolle eine immense Hilfe für uns ist, da sie die Gelenke stark schont, uns noch tiefere Fälle ohne Verletzungen ermöglicht, und auch unseren Lauf nicht so abrupt abbricht, bzw. unterbricht, wie ein Landen ohne Rolle.
Die 90 Grad Regel minimiert das Risiko von Schäden im Kniegelenk, und die Kombination von 90 Grad Regel, und Energieverteilung durch Arme oder Rolle minimiert die Belastung der Gelenke.

 

(c) Andreas Kalteis

von Sven Feix veröffentlicht in: Parkour Themen
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Donnerstag, 21. juni 2007

Fast alle machen es und kaum jemand weiß, warum eigentlich. Die Rede ist vom Dehnen, welches nach allgemeinem Verständnis ein fester Bestandteil des Trainings sein muss. Immer häufiger wird aber gerade in letzter Zeit Sinn und Zweck des Dehnens in Frage gestellt und sogar auf ein mögliches Verletzungsrisiko durch Dehnen unmittelbar vor oder nach einer Trainingseinheit hingewiesen (siehe unten). Dehnen oder nicht dehnen, fragt sich der Sportler.

Der Stand der Dehnforschung ist nicht so einfach darzulegen, da sicherlich noch nicht alle Fragen geklärt sind. Aber ein paar Mythen kann man entkräften.

Mythos Nr. 1: Dehnen als Verletzungs- und "Muskelkater"prophylaxe

 

Beim Dehnen muss man unterscheiden zwischen kurzfristigen und langfristigen Effekten. Unmittelbar nach dem Dehnen steigt die Gelenkreichweite messbar. Dies ist aber vorwiegend auf eine höhere Dehnungsspannungstoleranz und nicht etwa auf bestimmte Veränderungen im Muskel zurückzuführen (siehe unten). Bei intensiven Dehnprozeduren kommt es zu enormen mechanischen Spannungen im Muskel, die alleine schon "Muskelkater" (= DOMS: delayed onset muscle soreness) bewirken oder verstärken können. Zusätzlich konnten Untersuchungen von WIEMANN und KLEE zeigen, dass Schnellkraftleistungen unmittelbar nach statischem (also gehaltenem) Dehnen schlechter sind (und zudem ein DOMS provoziert wird). Die Abnahme der Sprunghöhe nach statischem Dehnen wurde auch von anderen Arbeitsgruppen bestätigt.

Anmerkung: Da auch die Sprungkraft eine Funktion der Schnellkraft ist, wundert es mich immer wieder, wenn z.B. sogar Profi-Volleyballer und -Basketballer vor einem Match Quadrizeps und Wadenmuskulatur ausgiebig stretchen, sprich statisch dehnen (Das beweist einmal mehr, dass es viele Jahre braucht, bis trainingswissenschaftliche und sportmedizinische Erkenntnisse Eingang in die täglicheTrainigspraxis finden und "eingefahrene" Muster verdrängen. Das spricht nicht gerade für die Qualifikation der Trainer, die offensichtlich nicht immer "up to date" sind).

Ein nicht allzu intensives dynamisches (z.B. "federndes") Dehnen in der Übungsvorbereitung zur Vergrößerung der Flexibilität und zum Absenken der passiven Muskelspannung ist vertretbar. Intensives Dehnen sollte nur vor Trainingseinheiten und Wettkämpfen in Sportarten stattfinden, in denen die Beweglichkeit eine leistungsbestimmende Komponete darstellt, z.B. beim Turnen, Kampfsport (Karate, Taekwondo) oder Hürdenlauf. Aber auch hier sollte weniger statisch im Sinne des "Stretching" als vielmehr dynamisch und sportartspezifisch gedehnt werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass durch zweckmäßiges dynamisches Dehnen eine noch größere Beweglichkeit, sprich eine größere Gelenkreichweite, erreicht werden kann als durch "gehaltenes" (= statisches) Dehnen.

Nicht nur vor, sondern erst recht nach einem Krafttraining

 

(das nicht nur mit konzentrischer, sondern immer auch mit exzentrischer Muskelkontraktion einhergeht) sollte statisches Dehnen vermieden werden, da trainingsbedingte kleinste Verletzungen (Mikrotraumen innerhalb der Muskelfaser im Bereich der sog. Z-Linien bzw. Z-Scheiben aufgrund exzentrischer Muskelarbeit) verstärkt werden und somit ein Muskelkater (DOMS) provoziert bzw. verstärkt wird.

Das gilt übrigens auch für das Bergablaufen, wie KOLLER et al zeigen konnte. Ein solches stellt eine nicht zu unterschätzende exzentrische Muskelbelastung dar, ebenso das "Abbremsen" nach Sprint-Intervallen.

Es stellt sich die Frage, wann ein Dehntraining "schädlich" sein kann.

Wenn man sehr intensiv und lange dehnt, kommt es zum Creeping-Phänomen und die Muskel-stiffness nimmt ab. Dadurch ist eine gewisse Verletzungsgefahr gegeben.

Erklärung zu den Begriffen "Muskel-Stiffness" und "Creeping-Phänomen" (Diese beiden Begriffe werden häufig zusammen verwendet):

Muskel-Stiffness

  Sie bezieht sich eigentlich auf die Härte des gesamten tenomuskulären Systems. Sie errechnet sich aus dem Verhältnis aus notwendiger Kraft und Längenzunahme bei Dehnung des Muskels. Interessant wird die Sache bei Reaktivkraftanforderungen, denn die Stiffness ist entscheidend, wenn es um die Speicherung und Wiedergewinnung von (kinetischer) Energie im Dehnungs-Verkürzungszyklus geht. Ursächlich sind an der Stiffness beteiligt:

- Neurale Faktoren: Vorinnervation, Reflexinnervation

- Viskoelastische Faktoren: Elastizität und Plastizität des Muskel-Sehnenkomplexes.

Durch andauerndes Dehnen werden das Innervationsverhalten sowie die viskoelastischen Eigenschaften kurzfristig negativ beeinflusst, sodass die Stiffness abnimmt. Dadurch sind geringere Reaktivkraftleistungen und möglicherweise auch ein erhöhtes Verletzungsrisiko zu erwarten.

Creeping-Phänomen

  Das Creeping-Phänomen (Creeping-Effekt) beschreibt eine kurzfristige Längenveränderung des Muskels. Es liegt die Tatsache zugrunde, dass sich langsame Dehnungen anders auf das Bindegewebe auswirken als schnelle. Durch langsames und kontinuierliches Dehnen richten sich die Kollagenfibrillen, die im ungedehnten Zustand nicht linear zu der in Zugrichtung wirkenden Kraft orientiert sind, in Zugrichtung aus. Dadurch kommt es zu einer echten Längenzunahme des Muskels. Dieser Effekt hält auch nach der Dehnung noch eine Zeit lang an. Dadurch geht nicht nur die Fähigkeit verloren, kinetische Energie im kontraktilen Apparat zu speichern, sondern auch, diesen vor Überdehnung zu schützen.

Die Verschlechterung der Schnellkraftleistung sowie die Entstehung von "Muskelkater" (DOMS) nach intensivem Stretching sind dadurch erklärbar.

  Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Dehnen (v.a. statisches = Stretching) unmittelbar vor sportlichen Leistungen nicht vor Verletzungen schützt, sondern sie eher sogar begünstigt.

Ebenso verhindert Dehnen keinen "Muskelkater" (DOMS), sondern begünstigt ihn

  Die muskuläre Regeneration wird durch Stretching generell eher behindert als gefördert.

Mythos Nr. 2: "Muskelverkürzung"

Die Vorstellung, ein Muskel würde sich verkürzen, wenn er nicht gedehnt wird, ist zwar plausibel, aber überholt.

Die strukturelle Länge eines Muskels per se ist immer gleich

   Eine Veränderung der Muskellänge findet nur bei einer Kontraktion statt (konzentrisch oder exzentrisch). Ansonst kann die Länge eines Muskel nicht nachhaltig verändert werden, weder in die eine noch in die andere Richtung. Der Muskel ist per se auch nicht elastisch. Das einzige elastische Element innerhalb der Muskelfaser sind die Titin-Filamente (neben Aktin und Myosin die dritte Art von Filamenten), die die Myosin-Filamente an den Z-Scheiben fixieren. Im Ruhezustand und bei Muskeldehnung üben die Titinfilamente eine Zugkraft auf die Z-Scheiben aus, bei konzentrischer Kontraktion tun das die Aktinfilamente. Der Muskel kann also an den Z-Scheiben nicht unterscheiden, ob er kontrahiert oder gedehnt wird. Auf wiederholt starke Zugkraft an den Z-Scheiben reagiert der Muskel als Schutz vor Überlastung mit der Bildung neuer paralleler Sarkomere. Dieses "Muskelwachstum" im Sinne einer Hypertrophie durch Vergrößerung des Muskelquerschnitts

bedeutet nicht nur eine Zunahme der Muskelkraft, sondern auch eine Zunahme der Muskel-Ruhespannung durch Zuwachs an Titin-Filamenten.

Eine Neubildung von Sarkomeren in Serienschaltung, und damit eine echte Längenzunahme des Muskels, kann (beim Menschen) durch Dehnen nicht induziert werden. Abgesehen davon wäre das auch nicht zweckmäßig, da Ursprung und Ansatz eines Muskels gleich bleiben und bei echter, also struktureller Längenzunahme des Muskels dieser dann quasi wie ein schlaffes Band zwischen Ursprung und Ansatz "durchhängen" würde. Auch die elastischen Titin-Filamente werden durch Dehnen nicht nachhaltig verlängert (Ein Gummiband nimmt nach Beenden seiner Dehnung ja auch wieder seine Ausgangslänge ein).

Eine "Verkürzung" wird üblicherweise im Rahmen eines Muskelfunktionstests festgestellt und fast immer fälschlicherweise als strukturelle, also echte Längenverkürzung des Muskels vermittelt. Mit einer "Muskelverkürzung" ist aber eine eingeschränkte Flexibilität bzw. Dehnfähigkeit gemeint. Es besteht eine verminderte Toleranz gegenüber einer Dehnungsspannung (und so sollte man es auch bezeichnen und erklären),

eine wirkliche Verkürzung eines Muskels besteht dabei nicht.

Das Fehlverständnis einer "verkürzten" Muskulatur, die man deswegen dehnen müsse, wird nicht nur von vielen einschlägigen Büchern und Trainern, sondern - leider - erfahrungsgemäß auch immer wieder von Leuten, die es besser wissen sollten, nämlich Orthopäden und Physiotherapeuten transportiert. Bei Haltungsschäden bzw. einem Ungleichgewicht der Kräfte, die auf ein Gelenk einwirken, ist die Seite mit der größeren Muskel-Ruhespannung die scheinbar "kürzere". Mit einem ausgiebigem Stretching des vermeintlich "verkürzten" Muskels würde man dessen Ruhespannung nur noch weiter erhöhen (siehe oben).

Eine größere Gelenkreichweite bei unveränderter Muskellänge bedeutet entgegen der landläufigen Vorstellungen, dass die Resistenz gegen den Dehnungsschmerz größer ist, also die Schmerzschwelle, an der eine Dehnung als unerträglich empfunden wird, höher ist. Diese Schutzschwelle kann durch Gewöhnung mittels regelmäßigen Dehntrainings in einen Bereich höherer Belastung verschoben werden, also auch in einen Bereich größerer Verletzungsgefahr (siehe oben).

Eine Muskelverkürzung ist funktionell zu betrachten

  , d.h. wenn ein Muskel seine optimale Kraftentfaltung in einem kleineren Winkel hat, als er sollte, kann man von einer "Verkürzung" sprechen. Angezeigt ist es dann, den Gegenspieler (Antagonisten) zu kräftigen und die Muskeln über möglichst große Amplituden (ROM: range of motion) arbeiten zu lassen. Damit wird wieder ein Gleichgewicht in der Kraft und in der Ruhespannung auf beiden Seiten (Agonist – Antagonist) hergestellt (Ausgleich muskulärer Dysbalanzen).

Durch Dehnen wird der Muskel nicht strukturell länger

  (auch nicht "schlanker", wie vielfach geglaubt wird), dennoch kann die Beweglichkeit erhöht werden. In der Prävention und Rehabilitation ist das ein wichtiges Argument fürs Dehnen. Im Gesundheitssport kann man deshalb ruhig in einer Trainingseinheit dehnen und kräftigen. Die sog. Zweckgymnastik, die jeder von uns noch aus Schulzeiten kennt, hat durchaus ihre Berechtigung.

Zusammenfassung

Beim Dehnen gibt es eine Spannung auf die Muskulatur. Ist die Spannung hoch, kann damit theoretisch sogar ein hypertrophiewirksamer Reiz erzielt werden.

Nach intensivem Ausdauertraining (Laufen), bei dem es auch zu kleinsten Verletzungen (Mikrotraumen durch exzentrische Belastung) im Muskel kommt, ist Dehnen als zusätzliche mechanische Beanspruchung nicht angebracht. Damit würde ein DOMS verstärkt und die muskuläre Regeneration verzögert werden. Es braucht auch kein Dehnen vor einem "normalen" Dauerlauf, ein "Einlaufen" zum "Warmwerden" genügt.

Ebensowenig sollte unmittelbar vor und nach einem Krafttraining gedehnt werden (wie bereits erklärt, siehe oben: Einerseits Herabsetzung der Schnellkraftleistung, andererseits Provokation eines DOMS). Wer vor allem bewusst exzentrisches Krafttraining oder IK-Training (Training der intramuskulären Koordination) macht, sollte Dehnübungen auf einen anderen Tag verschieben.

Im Gesundheitssport sind die Beanspruchungen geringer. Meistens nehmen sich die Leute nur an zwei oder höchstens drei Tagen Zeit für‘s Training und verbinden damit in der Regel auch das Dehntraining. Dennoch ist es allgemein ratsam, ein dynamisches Dehnen dem statischen Dehnen, also dem typischen "Stretching", vorzuziehen, weil es zweckmäßiger ist (Stichwort "Zweckgymnastik"). Statisches Dehnen hat, insgesamt betrachtet, mehr Nach- als Vorteile.

Fazit: Dehnen ja - aber man sollte wissen, wann und wie.

Die Mythen, die sich um das Dehnen ranken, werden nicht nur von vielen einschlägigen Büchern und Trainern, sondern - leider - erfahrungsgemäß auch immer wieder von Leuten, die es besser wissen sollten, nämlich Orthopäden und Physiotherapeuten transportiert.

Es sind engagierte, fachkompetente Sportwissenschaftler (im deutschsprachigen Raum möchte ich vor allem die Namen nennen, die ich unten bei "Literatur und Links" angeführt habe), denen wir neue Erkenntnisse über die Muskelphysiologie verdanken. Leider haben diese, obwohl schon seit Jahren bekannt, immer noch nicht ausreichend Eingang in die tägliche Sportpraxis gefunden, wo vielfach "eminenz-" anstatt evidenzbasiert gearbeitet wird und somit "eingefahrene", vermeintlich bewährte Verhaltensmuster nicht aufgegeben werden.

Abschließend bleibt noch anzumerken, dass ein "Aufwärmen" der Arbeitsmuskulatur vor jedweder körperlichen Belastung bzw. Trainingseinheit zweifellos zweckmäßig ist: Eine Aktivierung des Herz-Kreislaufsystems von einigen Minuten mittels mäßig-intensiver Ausdauerbelastung (zyklisch-dynamische Muskelarbeit, die mindestens ein Sechstel der gesamten Skeletmuskulatur involviert) steigert das HMV (Herzminutenvolumen, siehe DAS SPORTHERZ) und damit auch die Durchblutung der Muskulatur, was sich positiv auf deren Leistungsbereitschaft auswirkt.

Das Wichtigste

Im Gesundheitssport ist Dehnen wichtig und sollte deshalb regelmäßig durchgeführt werden, um die Beweglichkeit zu erhalten bzw. zu steigern (Darin liegt der Sinn und Zweck des Dehnens), Stichwort "Zweckgymnastik".

Im Leistungssport ist sportarztspezifisch ein vorbereitendes Dehnen notwendig.

Als Methode ist dynamisches Dehnen zweckmäßiger als statisches Dehnen.

 
Muskuläre Dysbalancen und "Verkürzungen" können mit Dehnen nicht korrigiert werden. Hiefür ist eine Kräftigung der Antagonisten sowie allgemein ein Krafttraining mit großen Bewegungsreichweiten angezeigt.

Zweckmäßig durchgeführtes Krafttraining steigert auch die Beweglichkeit.

  Eine Verletzungsprophylaxe durch Muskeldehnung ist nicht möglich, auch ein "Muskelkater" (DOMS) kann damit nicht verhindert werden, vielmehr wird er damit provoziert. Wer exzentrisch oder mit sehr hohen Bewegungsgeschwindigkeiten oder Lasten trainiert, sollte nicht unmittelbar vor und nach dem Training dehnen, sondern sich ein eigenes Dehntraining einrichten.

Ein allgemeines Aufwärmen von einigen Minuten vor Beginn eines Trainings bzw. Wettkampfs ist immer empfehlenswert. Ein Dehnen hat mit "Aufwärmen" nichts zu tun.

 

 
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